Kopfschmerzen nach Schädel-Hirn-Trauma: bei einem Drittel der Betroffenen bleiben sie für immer

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Mannheim – Jedes Jahr erleiden mehr als 400.000 Menschen in Deutschland ein Schädel-Hirn-Trauma, das von einer leichten Gehirnerschütterung bis hin zu Frakturen des Schädelknochens reichen kann. Das häufigste Symptom des Schädel-Hirn-Traumas sind Kopfschmerzen – und nicht immer verschwinden diese nach der akuten Verletzungsphase wieder. Bei bis zu einem Drittel der Betroffenen werden die Kopfschmerzen chronisch, bleiben also noch Monate oder gar Jahre nach dem Unfall bestehen. Die Ursachen hierfür werden erst allmählich verstanden. Einen Überblick über mögliche Krankheitsmechanismen und darüber, welche Therapiemöglichkeiten sich daraus für den posttraumatischen Kopfschmerz ableiten lassen, geben Experten auf einer Online-Pressekonferenz, die im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses am 19. Oktober 2022 stattfindet. Interessierte Journalistinnen und Journalisten können sich bereits jetzt hier anmelden.

Dass Menschen, die einen Aufprall auf den Kopf erlitten haben, akute Kopfschmerzen entwickeln, wird oft als normales und vorübergehendes Phänomen betrachtet, auch von Ärztinnen und Ärzten. Häufig setzt eine gezielte Behandlung daher erst ein, wenn die Schmerzen auch nach einigen Wochen nicht verschwinden – laut Definition gilt ein posttraumatischer Kopfschmerz als chronisch, wenn er länger als drei Monate bestehen bleibt. „Das Problem wird damit jedoch deutlich unterschätzt“, sagt PD Dr. med. Torsten Kraya, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum St. Georg in Leipzig und Kongresspräsident des Deutschen Schmerzkongresses 2022. Denn heute geht man davon aus, dass bereits in der akuten Phase nach dem Schädel-Hirn-Trauma die Weichen für die spätere Entwicklung der Kopfschmerzsymptomatik gestellt werden.

Doch wie entstehen die Kopfschmerzen überhaupt? Sichtbare Verletzungen des Gewebes wie etwa Blutungen oder Frakturen gibt es bei einem leichten Schädel-Hirn-Trauma oft nicht. Dennoch hat die Erschütterung, der das Gehirn ausgesetzt ist, weitreichende Folgen: Wie neuere Forschungen zeigen, verändert sich unter der mechanischen Belastung schlagartig die Durchlässigkeit der Nervenzellmembranen, was eine ganze Kaskade von Veränderungen bei Ionenströmen, Signalstoffen, neuronaler Aktivität, dem Zellstoffwechsel und regionalen Blutflüssen im Gehirn nach sich zieht. Auch die Freisetzung entzündungsfördernder Substanzen scheint eine Rolle bei der Schmerzentstehung zu spielen. „Diese akuten Veränderungen normalisieren sich innerhalb einiger Tage oder Wochen wieder“, sagt Kraya. Weshalb bei manchen Menschen die Schmerzen dennoch bestehen bleiben, sei nach wie vor nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielten hier dauerhafte Veränderungen der Schmerzwahrnehmung, der körpereigenen schmerzhemmenden Systeme und eine Dysbalance des autonomen Nervensystems eine Rolle, welches unter anderem die Herz- und Atemfrequenz und die Durchblutung steuert. Hierauf könnten auch viele weitere Beschwerden zurückzuführen sein, die nach einem Schädel-Hirn-Trauma auftreten können, wie etwa Schlafstörungen, Depressionen oder Angststörungen.

Ein posttraumatischer Kopfschmerz vom Migräne-Typ werde oft mit Triptanen behandelt, Spannungskopfschmerzen eher mit Aspirin, Paracetamol oder Ibuprofen. Oft gibt es auch Mischformen. Neben der Wahl der Medikamente scheint jedoch auch der Zeitpunkt der Behandlung entscheidend zu sein. „Wenn der Schmerz sich erst einmal verselbständigt hat, ist ihm nur noch schwer beizukommen“, sagt Kraya. Daher gehe die Tendenz heute dahin, möglichst früh medikamentös gegenzusteuern – besonders bei Patientinnen und Patienten, die Risikofaktoren für eine Chronifizierung des Schmerzes aufweisen. Hierzu zählen etwa eine bereits vorbestehende Neigung zu Kopfschmerzen, ein jüngeres Lebensalter, das weibliche Geschlecht, sowie ein Kopfschmerz vom Migräne-Typ. „Studien weisen zudem darauf hin, dass eine moderate körperliche und geistige Aktivierung bereits binnen 24 oder 48 Stunden nach dem Unfall sinnvoll ist, auch um das Einüben von Schonverhalten und eine Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden“, sagt Kraya. Personen mit einem erhöhten Chronifizierungsrisiko sollten daher idealerweise mit einem multimodalen Therapieansatz behandelt werden, der neben einer frühzeitigen Schmerztherapie auch verhaltenstherapeutische Elemente sowie unter Umständen auch eine gezielte Aktivierung durch Physiotherapie beinhalte.

Zurzeit gibt es eine Reihe neuer Forschungsansätze, die Ansatzpunkte für eine frühe Therapie eröffnen – viele davon werden Thema von Symposien auf dem Schmerzkongress 2022 in Mannheim sein.